PROJEKT STOLPERSTEINE

BRÜCKEN IN DIE ZUKUNFT

„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“

Im Herbst des Jahres 2022 widmeten sich Schüler*innen der WI’MO gemeinsam mit Prof. Ilse Geson-Gombos und Prof. Silke Sallinger der Erkundung und Reinigung der Stolpersteine in der Landeshauptstadt Klagenfurt. Im Vorfeld einer Gedenkveranstaltung am 17. November 2022 entstand in diesem Zusammenhang auch eine Broschüre, die einerseits das Projekt dokumentiert, zum anderen aber auch Einblicke in die Facetten der jüdischen Kultur gewährt.

STOLPERSTEINE | „BRÜCKEN IN DIE ZUKUNFT“

Teilnehmende Klassen: 2BHW, 2CHW, 3AHW, 3BHW, 4BHW und 4CHW, WI’MO Klagenfurt

Projektleitung und Texte: Ilse Geson-Gombos

Fotos: Heidi Cas-Brunner

Redaktion und QR-Codes: Silke Sallinger und Martin Erian

Verpflegung Gedenkveranstaltung am 17. November 2022: Hauswirtschaftliche Abteilung WI’MO Klagenfurt

Workshops und Stolpersteine-Stadtführungen: Nadja Danglmaier und Horst Ragusch

Teilnahme der WI’MO an der Reinigungsaktion der Stolpersteine am 20. September 2022: Sebastian Grubelnik, Slavomir Mruškovič, Anna Traußnig (alle 3BHW der WI’MO Klagenfurt)

Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom 1938 am 17. November 2022 an der WI’MO Klagenfurt

Einladung der Partnerinnen und Partner der Gedenk- und Erinnerungskultur zur Projektpräsentation der Broschüre Stolpersteine „Brücken in die Zukunft“ an der WI’MO

Wir danken dem Volksgruppenbüro/Biro za slovensko narodno skupnost

Abteilung 1 des Landes Kärnten für die finanzielle Unterstützung des Projektes

 

Im September und Oktober beschäftigen wir uns mit ausgewählten Klassen intensiv mit den Biografien jener Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus aus Klagenfurt in die Vernichtungslager deportiert wurden. Wir wollen über die in Europa über Jahrhunderte bestehende jüdische Kultur lernen und uns mit dem in Europa erneut aufflackernden Antisemitismus auseinandersetzen. Dazu erstellen wir eine Broschüre zu den „Stolpersteinen“ in Klagenfurt, die in weiterer Folge auch Schüler*innen, die nicht aktiv am Projekt beteiligt waren, einen Einblick in die Thematik verschaffen soll. Sehr gerne stellen wir die Texte und Materialien zum Projekt den Mittelschulen sowie allen anderen höheren Schulen der Region und Interessierten zur Verfügung.

Am 17. November 2022 laden wir unsere Partner*innen der Erinnerungskultur, der Stadt Klagenfurt und des Landes Kärntens zu einem gemeinsamen Essen und anschließend zur Präsentation des Projektes ein. Dieses Zusammentreffen soll die Kooperation aller Mitwirkenden vertiefen. Unser vorrangiges Anliegen ist es, die Jugend und ihr Interesse an Geschichte zu bestärken.

STOLPERSTEINE UND GEDENKORTE

 

WAS SIND STOLPERSTEINE?

WO FINDEST DU SIE IN KLAGENFURT?

WAS HAT ES MIT DEM „PROJEKT STOLPERSTEINE“ AUF SICH?

Stolpersteine sind Steine mit Messingplättchen, auf welchen die Namen der Opfer des Naziregimes, ihre Daten und ihr Schicksal eingraviert sind. Eine jüdische Tradition besagt, dass ein Mensch zweimal stirbt: Einmal, wenn das Herz zu schlagen aufhört, und das andere Mal, wenn sein Name zum letzten Mal gelesen oder gedacht wird.

WER HAT DAS PROJEKT STOLPERSTEINE INS LEBEN GERUFEN?

Der Satz aus dem Talmud „Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“ hat den deutschen Künstler Gunter Demnig dazu angeregt, das „Projekt Stolpersteine“ zu initiieren. Seit dem Jahr 1996 verlegt er Stolpersteine in vielen Ländern Europas, in über 2.000 Orten, darunter auch in Klagenfurt. Der Künstler bringt die Steine selbst vor den einstigen Wohnungen der Opfer im Straßen- oder Gehsteigpflaster an. Das „Projekt Stolpersteine“ ist mit über 90.000 Steinen das größte dezentrale Mahnmal der Welt.

WIE KAMEN DIE STOLPERSTEINE NACH KLAGENFURT?

Der Stadt Gemeinde ist es ein großes Anliegen, gemeinsam mit der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Kärnten und dem Gedenkbeirat der Stadt Klagenfurt mit den Stolpersteinen die Erinnerung an ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger wachzuhalten. Mit den Stolpersteinen sind die Namen der deportierten, geflüchteten und ermordeten Menschen sichtbar, ihr Schicksal wird so zu einem Teil unseres Lebens.

DREI OPFERGRUPPEN

Die Stolpersteine in Klagenfurt umfassen drei Opfergruppen:

  1. Die jüdischen Bewohner*innen Klagenfurt
  2. Menschen, die im Widerstand gegen die Diktatur des Deutschen Reiches waren und/oder diese nicht guthießen
  3. Menschen, deren Leben aufgrund von körperlicher und/oder geistiger Behinderung als „unwert“ abgestempelt und ermordet wurden

„MAN FÄLLT NICHT ÜBER DIE STOLPERSTEINE, DU STOLPERST MIT DEM KOPF UND DEM HERZEN“

Zitat eines Schülers über das dezentrale Mahnmal

„WER LESEN WILL, MUSS SICH BÜCKEN UND SO VOR DEN TOTEN VERBEUGEN”

Gunter Demnig zu seinem Mahnmal

 

STOLPERSTEINE JÜDISCHER MITBEWOHNER*INNEN

HERMINE PREIS

1870 – 8. Juni 1944, ermordet im KZ Auschwitz, STOLPERSTEIN am Dr.-Arthur-Lemisch-Platz 1

FELIX PREIS

30.09.1896 – 28.02.1944 Theresienstadt

ELSE PREIS

25.04.1908-1944

und die Kinder EVA PREIS, 22.3.1935-1944, UND PETER ADOLF PREIS, 12.6.1936-1944

KZ Auschwitz, STOLPERSTEINE in der Paradeisergasse 4

Hermine Preis und ihr Mann Adolf Preis, ein Kärntner Abwehrkämpfer und Geschäftsmann, hatten eine Schneiderei und ein Modegeschäft am Alten Platz. Beim Novemberpogrom 1938 wurden Geschäft und Wohnung von Nazi-Trupps geplündert, verwüstet und später arisiert. Das Ehepaar hatte fünf Kinder, Robert, Emil, Marianne, Felix und Dora. Hermine Preis wurde 1942 mit 72 Jahren verhaftet, deportiert und 1944 ermordet. Felix Preis und seine Familie fielen dem Nazi-Terror ebenso zum Opfer.

OTTO ZEICHNER

19.2.1921 – 11.11.1942, KZ AUSCHWITZ

BERTHA ZEICHNER

4.3.1894 – 1941, KIELCE, STOLPERSTEINE in der Adlergasse 14

Otto Zeichner besuchte 1936/37 die Handelsschule in Klagenfurt. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich zog die Familie nach Wien. Otto wurde von den Nationalsozialisten in einem zionistischen Jugendlager in Holland gefangengenommen und nach Auschwitz deportiert. Bertha wurde 1941 nach Kielce deportiert. Sie überlebte den Holocaust nicht. Ihrem Mann Moritz und ihrer Tochter Erna gelang die Flucht nach Palästina.

MARIE HAUSER

1884-23.1.1943, STOLPERSTEIN am Alten Platz 6

Marie Hauser führte eine Zahnarztpraxis am Alten Platz Nr. 6. Im selben Haus befindet sich auch heute die Praxis eines Zahnarztes. Ihr Mann war Rabbiner der Stadt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zog die Familie nach Wien, ihrem Mann und ihrem ältesten Sohn gelang die Flucht in die USA, der jüngere Sohn floh nach Palästina. Marie Hauser wurde in Auschwitz ermordet. 

EMANUEL NEUMANN

12.5.1858-8.9.1942, KZ THERESIENSTADT

MATHILDE NEUMANN

25.4.1860-7.10.1942, KZ THERESIENSTADT

ALFONS NEUMANN

22.8.1888-22.7.1941, KZ BUCHENWALD, STOLPERSTEINE in der Wiener Gasse 4

Die Familie Neumann erwarb 1905 das Haus in der Wiener Gasse 4. Emanuel und seine Frau Mathilde flüchteten nach Wien. Sie wurden in das KZ nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Alfons verschlug es nach Graz, er wurde in das KZ Buchenwald deportiert und ermordet.

REGINE LINKER

1871-1940, auf der Flucht erschossen

SAMUEL LINKER

1876-1940, KZ BUCHENWALD, STOLPERSTEINE in der Bäckergasse 10

LEON LINKER

1907-1941, auf der Flucht erschossen

HEDWIG LINKER

1914-1942, KZ Sajmiste bei Belgrad

EVA LINKER

1938-1942, KZ Sajmiste bei Belgrad, STOLPERSTEINE in der Gabelsbergerstraße 22

Regine und Samuel Linker besaßen am Kardinalsplatz ein Geschäft. Sie flüchteten nach dem Anschluss nach Wien. Linker starb auf der Flucht in Wien. Samuel Linker wurde verhaftet und im KZ Buchenwald ermordet. Seine Frau starb auf der Flucht im Dezember 1940 in Wien.

Die Familie Linker war eine alteingesessene jüdische Familie in Klagenfurt. Hedwig kam aus Spittal an der Drau. Sie heiratete den Klagenfurter Kaufmann Leon Linker, Sohn von Regine und Samuel Linker. Die Linkers waren Fellhändler. Die Familie versuchte mit einem Donaudampfer ans Schwarze Meer und weiter nach Palästina zu flüchten. Nachdem das NS-Regimes im April 1941 Jugoslawien überfallen hatte, wurden die Flüchtlinge interniert und alle männlichen Insassen erschossen. Die Frauen und Kinder wurden mit aus Deutschland herbeigeschafften Gaswägen ermordet. Täglich wurden so 50 bis 80 Menschen vergast, darunter auch Hedwig Linker mit ihrer damals vier- bis fünfjährigen Tochter Eva.

GEDENKSTÄTTE JÜDISCHES BETHAUS

Das Bethaus in der Klagenfurter Platzgasse war das Zentrum des kulturellen und religiösen jüdischen Lebens in Klagenfurt. In der Nacht von 9. auf den 10. November 1938 brannten in Deutschland und Österreich Synagogen und Veranstaltungsräume, jüdische Friedhöfe sowie tausende Geschäfte und Wohnungen wurden von den Nationalsozialisten verwüstet, jüdische Mitbürger*innen ermordet, viele Jüdinnen und Juden sahen den Selbstmord als letzten Ausweg. Das Novemberpogrom markiert den Beginn der Vertreibung und Ermordung der jüdischen Einwohner*innen in Klagenfurt. Auch das 1905 errichtete jüdische Bethaus in der Platzgasse wurde verwüstet, Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg zerstörten es komplett.  Die Stadt errichtete an dieser Stelle eine würdevolle Gedenkstätte.

MENSCHEN IM WIDERSTAND GEGEN DIE NS-DIKTATUR

WALTER TOLLINGER

1901–8.12.1944, ermordet in der Justizanstalt Graz, STOLPERSTEIN am Alten Platz 31

Walter Tollinger war ein kritischer Geist, Künstler und Fotograf, der seine Ablehnung gegen den Nationalsozialismus öffentlich verbalisierte. Er wurde im April 1944 in Klagenfurt verhaftet. Am Oberlandesgericht Graz wurde Tollinger zum Tode verurteilt und am 8. Dezember 1944 in der Justizanstalt Graz-Jakomini hingerichtet. Das Fotostudio Tollinger wird bis heute von seinen Nachfahren betrieben.

EUTHANASIEOPFER

STEFANIE LAIMGRUBER

1912-1940, ermordet auf Schloss Hartheim, STOLPERSTEIN in der Bahnhofstrasse 44

Wir wissen von Stefanie Laimgruber, dass sie infolge einer Wochenbettdepression und darauffolgender mentaler Probleme im Jahr 1932 in die Psychiatrie in Klagenfurt aufgenommen wurde. Sie wurde in weiterer Folge ins Schloss Hartheim überstellt, wo beeinträchtigte Menschen getötet wurden.

GEDENKTAFEL BURGHOF

In der Burg, in dem sich heute das Museum Moderner Kunst befindet, war das GESTAPO-Hauptquartier für Kärnten und Krain. Hier fanden sadistische Appelle im Morgengrauen statt, hier wurden Menschen verhört, gequält, gefoltert und starben. Die Künstlerin Melitta Moschik hat eine Gedenktafel in Form einer symbolisierten Verbotstafel für diesen Innenhof kreiert, um an die dunklen Zeiten, an die Verbrechen, die hier geschahen, zu erinnern. Die Gedenktafel wurde auf Initiative des Vereins „Memorial Kärnten Koroška“ angebracht. Der Erinnerungstext ist in deutscher und slowenischer Sprache verfasst.

GEDENKTAFEL AN KÄRNTNER PARLAMENTARIER

OPFER DER NS-DIKTATUR

Im Landhaus erinnert eine Gedenktafel an Kärntner Parlamentarier, die der nationalsozialistischen Diktatur zum Opfer fielen. Die Idee dazu kam vom ehemaligen Gemeinderat Reinhold Gasper.  Die Gedenktafel ist eine Mahnung gegen Gewalt und Rassismus und steht für Frieden und Demokratie.

GEDENKSTEIN DR.-FRANZ-PALLA-GASSE

Dr. Franz Palla war von 1940 bis 1945 für die Durchführung des nationalsozialistischen Euthanasieprogramms im „Gaukrankenhaus Klagenfurt“ verantwortlich. Zahllose Menschen wurden in diesen Jahren Opfer von Zwangssterilisationen und Zwangsabtreibungen, viele wurden von Klagenfurt in die Euthanasieanstalt Schloss Hartheim überstellt und dort ermordet. Der Gedenkstein in der Dr.-Franz-Palla-Gasse ist ein Mahnmal für alle Opfer der Euthanasiepolitik der Nationalsozialisten. Der Gedenkstein ist ein Zeichen der Entschuldigung für die Hinterbliebenen der Opfer und soll aufzeigen, dass Täter nicht geehrt und Opfer niemals vergessen werden sollen.

Quellen und Materialien:

Stolpersteine. Ein Kunstprojekt für Europa von Gunter Demnig. Abgerufen von https://www.stolpersteine.eu/

Mein Klagenfurt. Abgerufen von www.mein-klagenfurt.at

Danglmaier, N. (2021). Von Klagenfurt nach Israel: Der Lebensweg von Erna Zeichner | Esther Schuldmann. Mit einem Überblick über jüdisches Leben in Kärnten vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Innsbruck: Studienverlag.

Baum, W., Gstettner, P., Haider, H., Jobst, V. & Pirker, P. (Hg.). (2010). Das Buch der Namen: Die Opfer des Nationalsozialismus in Kärnten. Klagenfurt: Kitab Zeitgeschichte.

SHABBAT UND FEIERTAGE

JÜDISCHES LEBEN – JÜDISCHE KULTUR

Gebote und Verbote regeln das jüdische Leben. Dazu gehören Speisevorschriften, Reinheitsgebote, Gebote für Ehe und Scheidung, die Pflicht, wohltätig zu sein, und die Pflicht, den Kindern die Tora zu lehren. Jüdische Feiertage stehen im Mittelpunkt des Miteinanders in der jüdischen Gemeinde. Der Fokus auf die Wertschätzung des Lebens, auf ein Leben, das auf das Du ausgerichtet ist, auf ein familienorientiertes Leben, stellen wichtige Prinzipien dar. Die Rettung des Lebens eines Mitmenschen setzt alle Gebote und alle Vorschriften der jüdischen Kultur außer Kraft. An Feiertagen wünscht man sich zu einem festlichen Essen „Le Chaim“, frei übersetzt „Auf das Leben!“.

MIGRATION

Jüdische Feste, Bräuche und Rituale vermitteln uns einen sehr guten Einblick in die jüdische Kultur. Dabei müssen wir uns immer vor Augen halten, dass sich das Judentum aus vielen verschiedenen Traditionen und Strömungen zusammensetzt. Die Jüdinnen und Juden, die in Nord-, Mittel- und Osteuropa ansässig sind, sind Mitglieder der „ashkenasischen“ Gemeinden. Die jüdischen Gemeinden in Spanien werden als „Sefardim“ bezeichnet. Zur Gruppe der Mizrachim gehören jüdische Gemeindemitglieder aus dem Kaukasus und dem Nahen Osten sowie Jüdinnen und Juden aus Indien. Viele Menschen dieser Gruppen emigrierten in der jüngeren Geschichte nach Israel.

 

LEBENSABSCHNITTE

Die verschiedenen Lebensabschnitte wie Geburt, der Eintritt in das Erwachsenenleben, Hochzeit und Tod sind im Judentum mit besonderen Feierlichkeiten verbunden. Die Bar Mitzwa (Sohn der Pflicht) und die Bat Mitzwa (Tochter der Pflicht) stellen den Eintritt der jungen Mädchen (ab 12 Jahren) und Burschen (ab 13 Jahren) in die religiöse Volljährigkeit dar. Mit der körperlichen Reife übernehmen Mädchen und Jungen alle religiösen Rechte und Pflichten eines Mitglieds der jüdischen Gemeinschaft.

Die Feier der Bar Mitzwa kennt man bereits aus dem Mittelalter. Der Bar Mitzwa bereitet sich über Monate darauf vor, in der Synagoge zum ersten Mal aus der Tora zu lesen und eine Rede zum jeweiligen Abschnitt vor versammelter Gemeinde zu halten. Im Reformjudentum lesen auch Mädchen aus der Tora, in vielen Gemeinden halten sie auch Vorträge oder tragen religiöse Texte vor. Danach wird mit Freunden und Familie ein Fest gefeiert.

FESTE UND FEIERTAGE

SHABBAT

Im Zentrum der jüdischen Kultur und Esskultur steht der Shabbat, der von Freitag- bis Samstagabend dauert. Bei der freitagabendlichen Feier zu Hause werden die Shabbatlichter entzündet. Am letzten Tag der Woche, an dem die Arbeit ruht, stehen Besinnung und Einkehr im Vordergrund. In Erinnerung an den siebten Tag der Schöpfung, von dem es hieß: „Gott ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte.“ Der Samstagvormittag wird mit der jüdischen Gemeinde in der Synagoge verbracht. Danach isst man dort eine Kleinigkeit gemeinsam, der Rabbiner bespricht mit seiner Gemeinde den Wochenabschnitt aus der Tora. Man verbringt den Nachmittag ruhig, z.B. bei einem Spaziergang. Am Abend trifft sich die Familie zum festlichen Mahl.

Es darf an diesem Tag kein Feuer angezündet werden, was für heute auf jede Form der Benutzung von Elektrizität umgelegt wurde. So werden Speisen für das festliche Essen auf speziellen Platten mit Hilfe von Zeitschaltuhren warmgehalten. Das Mahl wird mit einem sehr feierlich gedeckten Tisch, dem besten Geschirr und wunderschönem Tischschmuck festlich umrahmt. Das Essen wird bereits am Vortag zubereitet. Der Shabbat wird als ruhiger Tag, als Tag der Gespräche, der das Verbindende in der Familie in den Vordergrund stellt, begangen. Die Inhalte des wöchentlichen Tora-Abschnittes, Gebete und Lieder stehen im Zentrum der wöchentlichen Shabbatfeiern.

Die Speisen sind grundsätzlich mit koscheren Zutaten zuzubereiten. Koscher heißt „für den Verzehr erlaubt“ und nicht koscher heißt „unrein“. Es geht dabei hauptsächlich darum, welches Fleisch zum Verzehr erlaubt ist und um die Aufteilung in fleischige, milchige und neutrale Speisen. Das Einhalten der Gebote und Verbote erfordert sehr viel Disziplin und manchmal auch sehr viel Kreativität. Traditionell kommt zum Shabbat das Eintopfgericht Tscholent auf den Tisch, welches aus Rollgerste, Bohnen, Kartoffeln und Fleisch geschmort und regional mit unterschiedlichen Zutaten zubereitet wird. Dazu werden geflochtene Challah-Brote gereicht. So stellen ChallahBrote für viele Menschen jüdischen Glaubens nicht nur geflochtene Hefebrote dar, sondern präsentieren sich als starke Anker der Kultur. Für Shoah-Überlebende sind sie lebendige Erinnerung, die ein Gefühl der verlorengegangenen Heimat hervorzurufen vermögen. Belohnt werden die umfassenden Vorbereitungen zum Shabbat mit einem vertieften Gefühl der Zusammengehörigkeit in der Familie und in der jüdischen Gemeinde.

PURIM

Purim ist ein Frühlingsfest mit karnevalistischen Zügen. Die Feiernden verkleiden sich mit bunten Gewändern. Auch Umzüge werden veranstaltet. Die Stimmung darf – wie im fast gleichzeitigen Fasching – ausgelassen sein. Man tauscht Geschenke und Festspeisen aus.

Purim wird gefeiert, um an die Rettung der Juden vor der drohenden Ausrottung durch König Xerxes I (486 – 465 v. Chr.) und seinen Statthalter Haman in Persien zu erinnern. Ein Los, „Pur“, sollte entscheiden, an welchem Tag die Juden im persischen Exil ausgerottet werden sollten. An Purim wird in der Synagoge aus der Festrolle des Buches Esther gelesen. Die mutige jüdische Königin Esther war es, die auf den König einwirkte und ihn davon überzeugte, die Juden in Persien am Leben zu lassen. Esther-Rollen finden wir in allen Synagogen. Diese Rettung der Juden wird zu Purim ausgelassen und fröhlich gefeiert. Es wird gelärmt, wann immer der Name Haman, der Name des von Rache geleiteten Statthalters fällt. Der Lärm soll den Namen Haman übertönen, auch mit selbstgebastelten Ratschen. Wir wissen nicht genau, ob sich daraus der Brauch der Osterratsche entwickelt hat. Zu Purim muss viel gegessen und getrunken werden, vor allem Hamantaschen, das sind gefüllte, süße Teigtaschen mit Mohn, Marmelade oder Powidl.

PESSACHFEST

Eines der bedeutendsten Feste im jüdischen Kalender ist das einwöchige Pessachfest, das im Frühjahr gefeiert wird. Pessach kann von seiner Bedeutung mit dem Weihnachtsfest im Christentum verglichen werden. Das Fest wird im Andenken an den Auszug aus Ägypten und die Befreiung aus der Gefangenschaft begangen. Laut Überlieferung mussten die Juden Hals über Kopf aus Ägypten ausziehen, so dass zum Säuern der Brote keine Zeit mehr blieb. In Erinnerung an den raschen Aufbruch, der keine Zeit für die Gärung des Teiges ließ, wird das ungesäuerte Brot Matze gegessen. Neben dem traditionellen Sauerteigbrot, Chamez, darf sich kein anderes gesäuertes Getreideprodukt oder Lebensmittel im Haus befinden (z.B. Bier oder sogar Kekse sind verboten). Ein umfassender Frühjahrsputz soll garantieren, dass sich nichts davon im Haus befindet. Das Fest wird mit dem „Sederabend“, der im Kreis der Familie verbracht wird, eröffnet. Die Speisen auf dem Sederteller haben symbolische Bedeutung: Darauf finden wir Maror aus bitter-scharfem Meerrettich, der an die Knechtschaft in Ägypten erinnern soll, einen Lammknochen mit etwas Fleisch für das Opferlamm, eine Charosset, das ist eine Mischung aus Äpfeln und Datteln oder Nüssen und Zimt in Erinnerung an die von den Israeliten in Ägypten gefertigten Lehmziegel, ein gekochtes Ei, Zeichen für die Vergänglichkeit und Fragilität der menschlichen Existenz, Petersilie als Kraut des Gartens und für die Hoffnung und Karpas, entweder Radieschen oder Kartoffeln, in Salzwasser getaucht, das Mühsal der Arbeit symbolisierend. Salzwasser symbolisiert die Tränen des jüdischen Volkes. Zum Sederteller wird Matze, ungesäuertes Brot, gereicht. Die Familie singt, es folgen Segenssprüche und Dankesgebete, die Pessach-Haggada wird verlesen, um die Geschichte des Tages würdig zu feiern. Es ist einer der wichtigsten jüdischen Grundsätze, die jüdische Geschichte von Generation zu Generation weiterzugeben und so die jüdische Identität zu stärken.

DIE FEIERTAGE IM HERBST

ROSH HA-SHANA – JOM KIPPUR – SUKKOT – SIMCHAT TORA

Das Fest Rosh ha-Shana im September heißt übersetzt „Haupt des Jahres“ und bildet den Jahresanfang im jüdischen Kalender. Das Neujahrsfest wird zu Beginn des Herbsts gefeiert und soll an die Schöpfungsgeschichte erinnern. Es wird als Geburtstag der Menschheit gefeiert. Dabei steht Süßes, vor allem Honig, im Zentrum des gedeckten Tisches. Die Familienmitglieder tauchen Äpfel und Brot in Honig, auf dass das Jahr süß und angenehm verlaufen möge. Rosh ha-Shana leitet die zehn Bußtage bis Jom Kippur ein. Traditionell werden an Rosch ha-Schana süße Speisen gereicht, damit das kommende Jahr süß werde.

JOM KIPPUR

Die an das Rosh-ha-Shana-Fest anschließenden zehn Bußtage gipfeln in dem höchsten Feiertag der jüdischen Gemeinde, Jom Kippur. Gott sitzt in diesen Tagen zu Gericht: Er schreibt den Menschen eines der drei Bücher zu. Es gibt eines für die guten Menschen, eines für die schlechten Menschen und ein drittes für Menschen, die sich verbessern können. Zu Jom Kippur wünscht man sich, dass einem im Buch des Lebens ein gutes nächstes Jahr eingeschrieben werden möge. Es gab den Brauch, dass die jüdischen Gemeinden alle Sünden symbolisch auf einen Ziegenbock luden und diesen in die Wüste schickten, um die Sünden loszuwerden. Daher stammt der Begriff „Sündenbock“. Der Versöhnungstag Jom Kippur bezeichnet Tage der Buße und Tage der Reue. Jüdinnen und Juden sind dazu angehalten, zu fasten und sich auf das Gebet zu konzentrieren. Wenn das Shofar-Horn ertönt, ist das Fasten beendet, alle wünschen sich ein süßes neues Jahr und lassen das Fest im Kreise ihrer Familie ausklingen.

SUKKOT

Das Laubhüttenfest ist ein besonders beliebtes Freudenfest im Herbst. Man bedankt sich für die Ernte und alles Gute, das einem im Leben geschenkt wurde. Das Laubhüttenfest gedenkt der 40-jährigen Wanderung der Israeliten durch die Wüste. Es ist Tradition eine „Sukka“, Laubhütte zu bauen und während der sieben Tage mit Freuden und Gästen zu feiern.

SIMCHAT TORA

Zum Fest der Gesetzesfreude werden alle Torarollen aus dem Toraschrank geholt. Die Männer halten fröhliche Umzüge und tragen die Rollen begleitet von Liedern und Gebeten in der Synagoge umher. Dabei werden die letzte und die erste Geschichte der Tora im Gottesdienst vorgelesen.

CHANUKKA

Der Sieg über eine feindliche Armee und das Wunder mit dem Öl

Mit Chanukka wird das achttägige Lichterfest, das meist im Dezember stattfindet, begangen. Es erinnert an die Wiedereinweihung des von Seleukiden geschändeten Tempels in Jerusalem im 2. Jahrhundert vor Christus. Die jüdischen Makkabäer hatten zuvor das große seleukidische Heer abgeschüttelt, eine kleine Gruppe hatte den Sieg über ein riesiges Heer erlangt und damit die Wiederherstellung des Tempels in Jerusalem erfolgreich durchgesetzt. Das hebräische Wort Chanukka bedeutet „Einweihung“.

Einer talmudischen Lehre zufolge brannte bei der achttägigen Feier zur Neu-Einweihung des Tempels das Öl für das Licht im Tempel acht Tage lang, obwohl es eigentlich nur für einen Tag gereicht hätte. An Chanukka wird daher in Erinnerung an die acht Tage, für die das kleine Ölkrüglein gereicht hat, täglich eine Kerze mehr entzündet, bis es acht Kerzen sind. Das geschieht mit Hilfe der neunten Kerze in der Mitte, der sogenannten „Dienerkerze“. An den Chanukka-Abenden feiert die Familie mit Freunden bei Chanukka-Liedern, für Kinder gibt es Süßigkeiten oder andere Geschenke. In Erinnerung an das Ölwunder werden in Öl gebackene Speisen, zum Beispiel Krapfen oder Kartoffelpuffer „Latkes“, serviert. Da Chanukka zeitlich mit dem christlichen Weihnachten beinahe zusammenfällt, haben sich die Bräuche der beiden Feste angenähert. In den USA und in anderen Ländern werden Chanukka und Weihnachten gemischt gefeiert. In Wien werden seit einiger Zeit ebenfalls Chanukka-Leuchter aufgestellt. Die Leuchter symbolisieren den Sieg des Lichts über die Finsternis.

Die kurzen Beschreibungen zu den Festen, den Ritualen und dem Essen verweisen auf den großen Zusammenhalt der jüdischen Gemeinden. Die Feste und Rituale stärken die Identität und bilden somit ein untrennbares Geflecht, das emotionale Stabilität schaffen und das Gemeinschaftsgefühl stärken soll.

Quellen und Materialien:

Dreyer, J. & Hattwich, S. (2019). Jüdisches Leben: Koscheres Leben. Abgerufen von Jüdisches Leben: Koscheres Leben – Religion – Kultur – Planet Wissen (planet-wissen.de)

Dreyer, J. & Hattwich, S. (2019). Jüdisches Leben: Der Sabbat. Abgerufen von Jüdisches Leben: Sabbat – Religion – Kultur – Planet Wissen (planet-wissen.de)

Klessinger, M. (2018). Jüdische Bräuche und Feste. Abgerufen von Jüdische Bräuche und Feste: Die wichtigsten auf einen Blick | FOCUS.de

Religion ORF. (o. J.). Lexikon Judentum: Feste, Bräuche, Lebensregeln. Abgerufen von Lexikon Judentum: Feste, Bräuche & Regeln – Lebensregeln (orf.at)

Bundeszentrale für politische Bildung. (2021). Jüdisches Leben in Deutschland: Jüdische Esskultur. Abgerufen von Jüdische Esskultur | bpb.de

BR. (2016). Tod und Sterben im Judentum. Abgerufen von Tod und Sterben im Judentum: „Der Respekt vor den Toten ist wichtig“ | Religion | Themen | BR.de

Spera, D. (2020). 100x Österreich: Judentum (3. Aufl.). Wien: Amalthea Signum.

Kapón, U. M. & Castelló, E. R. (1994). Die Juden in Europa: Geschichte und Vermächtnis aus zwei Jahrtausenden. München: Wilhelm Heyne Verlag.

ESSEN UND SPEISEVORSCHRIFTEN

RITUELLES HÄNDEWASCHEN

Im Judentum spielt das Händewaschen seit jeher eine große Rolle. Im Mittelalter waren die jüdischen Gemeinden aufgrund ihrer strengen Vorschriften zum Händewaschen weniger von der Pest und anderen Seuchen betroffen. Das stellte sie per se unter Verdacht und gab Anlass für Vorurteile. Sie wurden fälschlich als „Brunnenvergifter“ bezichtigt und waren Pogromen und Verfolgungen ausgesetzt. Seit dem Ausbruch von Covid-19 wissen wir, dass das Händewaschen eine der besten Methoden ist, um sich vor einer Ansteckung jeglicher Krankheiten zu schützen. Nun hat das Händewaschen in der jüdischen Religion nicht nur eine hygienische, sondern vorrangig eine rituelle Bedeutung. Händewaschen findet vor dem Gottesdienst, Gebeten, Segnungen, vor und nach dem Essen statt. Wenn sich die Familie zu Tisch begibt, dann ist das wie ein Gang zum Altar. Gott hat das Waschen der Hände befohlen, das Abtrocknen wird von einem Segensspruch begleitet. Für andere rituelle Waschungen ist das Tauchbad, die Mikwe, vorgesehen, in dem der vorher gesäuberte Körper auch rituell gereinigt wird.

ESSEN und SPEISEVORSCHRIFTEN

Die Speisevorschriften in der jüdischen Kultur haben eine betont gemeinschaftsstärkende Funktion, die mit der Zerstörung des ersten Tempels in Jerusalem 587/86 v. Chr. und schließlich der Zerstörung des zweiten Tempels 70 n. Chr. von Jüdinnen und Juden über den Erdball verbreitet wurden. Gebote und Verbote der Kashrut wurden kontinuierlich überarbeitet und ergänzt, jedoch nie von allen Menschen jüdischen Glaubens eingehalten. Die Speisegesetze sind damit kulturelles Erbe mit hoher symbolischer Funktion, die den Jüdinnen und Juden zur Identifikation dienen sollen. Gleichzeitig erfolgt dadurch eine Abgrenzung zu Menschen nicht-jüdischen Glaubens. 

Schweinefleisch gilt in der Tora als unrein. Es kommt zwar von einem Tier mit gespaltenen Hufen, das Schwein ist jedoch kein Wiederkäuer. Beides muss gegeben sein, damit Fleisch koscher, also rein und zum Verzehr erlaubt ist. Als rein gelten alle „Großtiere“, die zu den Wiederkäuern gehören und gespaltene Klauen besitzen, wie zum Beispiel Rind, Lamm, Huhn, Ente und Gans. Als unrein gelten neben dem Schwein zum Beispiel Hase, Kaninchen und eine Reihe von Wildtieren. Koscheres Fleisch darf grundsätzlich nur von Tieren stammen, die nach jüdischem Ritus geschächtet sind. Der Verzehr von Blut ist Menschen jüdischen Glaubens ebenso wie Musliminnen und Muslimen verboten. Der Talmud lehnt jedoch die Jagd ab, wenn sie als Sport betrieben wird. Sie gilt als Grausamkeit an Tieren und ist somit gemäß der Bibel verboten.

Die religiösen Speisevorschriften, der „Kashrut“, bestimmen, welche Lebensmittel koscher sind und welche nicht. Das grundlegendste und bekannteste Gebot lautet: „Du sollst ein Zicklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen.“ Daraus wird die Trennung von milchigen und fleischigen Lebensmitteln abgeleitet. Es sind die Auslegenden selbst, die sich um die Einhaltung dieser Regel zu kümmern haben. Die jüdischen Essensvorschriften reichen bis ins 7. Jh v. Chr., als nomadische jüdische Stämme im Gebiet des heutigen Israel lebten.

Neben den koscheren und den nicht koscheren Lebensmitteln gibt es die dritte Kategorie der „neutralen“ („parve“) Lebensmittel. „Parve“ sind Nahrungsmittel, die weder milchig noch fleischig sind und daher mit milch- wie auch fleischhaltigen Speisen kombiniert werden können. Dazu gehören etwa Früchte und Gemüse, Getreide und Eier, aber auch Sojaprodukte. Fische für den Verzehr müssen von Tieren stammen, die über Flossen als auch Schuppen verfügen. Meeresfrüchte und Aale sind nicht koscher.

Die Anbindung an verschiedene lokale Sitten hat die jüdische Kultur vor allem bei Rezepten und der Übernahme von Melodien beeinflusst. Die jüdische Gemeinde gestaltet das religiöse Leben nach dem Gebet in der Synagoge mit einem traditionellen darauffolgenden Essen.

Zum Shabbat wird traditionell „Barches“, das Zopfbrot, gereicht. Auch zwischen dem Shabbatbrot „Challah“ oder „Barches“ und dem Hefezopf bestehen gravierende Unterschiede.

Wein spielt in der jüdischen Tradition und bei vielen religiösen Zeremonien ebenfalls eine große Rolle. Um koscheren Wein zu produzieren, muss der Weinberg mindestens vier Jahre alt sein. Aus Trauben, welche aus einem jüngeren Weinberg stammen, ist es verboten, Wein herzustellen. Um koscheren Wein zu produzieren, bedarf es der Aufsicht eines Rabbiners. Da die Herstellung von koscherem Wein sich aufwendiger gestaltet als die Herstellung von „normalen“ Weinen, sind sie folglich hochpreisiger. Koschere Weine gibt es inzwischen in den populären Rebsorten wie Chardonnay, Merlot oder Cabernet Sauvignon.

Das gemeinsame Essen hat einen wichtigen Stellenwert in der jüdischen Familie. Ein Großteil der Mitglieder der heutigen jüdischen Gemeinden im deutschsprachigen Raum isst jedoch nur noch reduziert koscher. Die moderne Interpretation des fleischlastig, aschkenasischen kulinarischen Erbes Osteuropas mit kräftigen Eintöpfen und Teigtaschen zeigt sich heute in Bagel-Bäckereien, Delis oder in Fusion Restaurants, die mit hippen Gerichten den Geschmack der multikulturellen Megacitys treffen will. Starköche wie Meir Adoni, der die israelische Küche mit marokkanischen Einflüssen vereint, oder israelisch-palästinensische Teams, die ganz in der Tradition des Dialogs durch gemeinsames Kochen und Essen stehen, sind in Berlin und anderswo anzutreffen. In Wien zieht es das Publikum zu „Neni am Naschmarkt“, dem österreichischen Pendant einer von der Levante inspirierten Fusionsküche.

Quellen und Materialien:

Wissen rund um die Hauswirtschaft. (2021). Speisevorschriften im Judentum. Abgerufen von Wissen rund um die Hauswirtschaft – Speisevorschriften im Judentum

Zentralrat der Juden in Deutschland. (o. J.). Kaschrut – Die jüdischen Speisevorschriften. Abgerufen von Zentralrat der Juden: Kaschrut – Die jüdischen Speisevorschriften

Deutsches Weininstitut. (2016). Wie werden koschere Weine gemacht? Abgerufen von Wie werden koschere Weine gemacht? — Wein.de

Spera, D. (2022). Le CHAIM!: Mit Danielle Spera durch das jüdische Jahr. Wien: Amalthea Verlag.

KLEIDUNG

Die meisten Jüdinnen und Juden sind anhand ihrer Kleidung im Alltag nicht als jüdisch erkennbar. Kleidungsvorschriften für den Alltag sowie für bestimmte Anlässe haben nur streng orthodoxe Juden. Männer wie Frauen bedecken den Körper weitgehend. Männer tragen meist lange Hosen und Hemden, die zumindest bis zu den Ellenbogen reichen sowie eine Kopfbedeckung. Frauen tragen auch bei sommerlich warmem Wetter Blusen mit langen Ärmeln. Röcke bedecken grundsätzlich die Knie.

Männer tragen in der Synagoge die Kippa aus Ehrfurcht vor Gott. Sie gibt es bunt und gehäkelt oder einfärbig aus Stoff. Die Kippa wird von orthodoxen Juden auch im Alltag getragen. In fast allen reformierten liberalen Gemeinden bleibt es dem Einzelnen überlassen, ob er seinen Kopf beim Gebet bedeckt.

Der Gebetsmantel oder Gebetsschal, „Tallit“, wird von den Männern während des Morgengebets getragen. Ein Tallit ist ein viereckiges weißes Tuch aus Wolle, Baumwolle oder Seide. Der Tallit ist mitunter mit schwarzen oder blauen Streifen durchzogen. Die „Zizit“, vier lange, weiße, mehrfach geknotete Fäden aus Wolle, die sich an den vier Ecken des Tallit befinden, stehen für die 613 Gebote und Verbote. Ein „Tefillin“, Gebetsriemen, beinhaltet einige kleine schwarze, lederne Gebetskapseln mit Texten aus der Tora, die sich auf handgeschriebenen Schriftrollen aus Pergament befinden.

Die richtige Kombination von Hut, Strümpfen, Bartschnitt und Schläfenlocken, „Beikeles“, zeigt klar an, zu welcher Gruppe von Ultraorthodoxen man gehört. Der Augenblick, in dem ein Haredi, „Gottesfürchtiger“, beginnt, einen Hut zu tragen, markiert einen Wendepunkt. Manche Jungen tragen den Hut bereits im Alter von 13 Jahren, wenn die Jungen Bar-Mizwa feiern, also religiös gesehen volljährig werden. Der Hut spiegelt die religiöse Zugehörigkeit und den gesellschaftlichen Status wider. So wollen zum Beispiel die Mitglieder der Chassidim genau den gleichen Hut wie ihr Großvater tragen. Tatsache ist, dass hunderte Strömungen existieren, die sich um ihre Rabbiner versammeln und sich durch Gebräuche, Gebete und ihre Kleidung voneinander unterscheiden. Der edle Homburg wird ausschließlich von Gelehrten und angesehenen Rabbinern getragen.

Frauen der Charedim, einer sehr frommen jüdischen Glaubensrichtung, sind angewiesen, ihren Körper unter einem bodenlangen Rock und langärmeligen, hochgeschlossenen Blusen oder Pullovern zu verbergen. Hut oder Perücke bedecken das Haar der verheirateten Frauen. Ihr Haar soll fremde Männer nicht verführen. Die Kleidung soll die Sittsamkeit der jüdischen Frau sichtbar machen. Orthodoxe Frauen zeigen nach der Hochzeit ihre Haare nicht mehr in der Öffentlichkeit. So kam es in den strenggläubigen chassidischen Gemeinden in Osteuropa im 18. Jahrhundert vor, dass sich Frauen zur Hochzeit alle Haare abschnitten und danach ihr Haupt durch ein Kopftuch, „Tichel“, oder eine Perücke, „Scheitel“ genannt, verbargen.  Damit wurde die Botschaft ausgesandt, dass sie sich als verheiratete Frauen nach den traditionellen Vorstellungen richteten. Heute tragen nur noch verheiratete Frauen in streng orthodoxen Gemeinden ständig Kopfbedeckung. In Reformgemeinden gibt es dazu keine Vorschriften für die Frauen, denn heute lehnen es viele Frauen grundsätzlich ab, ihre Haare vollständig zu bedecken.

Die genannten speziellen jüdischen Kleidungsstücke sollen den Respekt, die Liebe und die Ehrfurcht gegenüber Gott zeigen und den Glauben an ihn beweisen. Sie spielen eine große Rolle für orthodoxe Jüdinnen und Juden.

Wie kein zweites Kleidungsstück wird durch den mittelalterlichen Judenhut Eigenes aber auch Fremdes, Freiwilliges wie auch von den Machthabern Aufgezwungenes veranschaulicht. Die katholische Kirche beschloss im vierten Laterankonzil 1215, dass die weltlichen Machthaber Juden, Sarazenen und Muslime zum Tragen von sichtbaren Kennzeichen zu verpflichten hatten. Die Festschreibung des Hutes als Kennzeichen für Juden trug dazu bei, dass der Judenhut als ein bis dahin freiwillig getragener Bestandteil der jüdischen Tracht nicht mehr so populär war.

Der Hut wurde seit dem 15. Jahrhundert durch andere Kennzeichen wie gelbe Ringe oder Kreise ersetzt. Die Kennzeichnung der Juden stellte eine Form sozialer Kontrolle dar, wirkte stigmatisierend und sollte den Kontakt zu den Christen erschweren.

Zur Zeit des Nationalsozialismus musste jede Jüdin, jeder Jude den „Judenstern“ einen sechseckigen gelben Stern mit der Aufschrift Jude auf seiner Kleidung tragen. Das Tragen des Judensterns war mit der Ausgrenzung aus der Gesellschaft verbunden. Auf die Ausgrenzung folgten Deportation und Ermordung in den Konzentrationslagern. Mit dem Tragen des Judensterns wurden die jüdischen Mitbürger*innen verhöhnt, denn der Judenstern hatte die Form eines Davidsterns, der die Verbundenheit der Juden und Jüdinnen mit Gott symbolisiert. Das ist auch der Grund, warum so viele jüdische Menschen im Dritten Reich den Judenstern entgegen aller Schmach mit Stolz und Würde trugen.  

Quellen und Materialien:

Herrmann, A. & Lapide D. (2021). Kleidung im Judentum. Abgerufen von Kleidung im Judentum | Religionen Entdecken (religionen-entdecken.de)

Baer-Krause, J., Bloch, A. & Lapide, D. (2021). Judenstern. Abgerufen von Judenstern | Religionen Entdecken (religionen-entdecken.de)

Yaron, G. (2012). Der Hut, das Statussymbol der Ultraorthodoxen. Abgerufen von  Jerusalem: Der Hut, das Statussymbol der Ultraorthodoxen – WELT

Academic. (o. J.). Judenhut. Abgerufen von Judenhut (de-academic.com)

Kolatch, A. J. (2011). Jüdische Welt verstehen: 600 Fragen und Antworten (2. Aufl.). Wiesbaden: Marixverlag.

AUFSTEHEN GEGEN ANTISEMITISMUS

Die Beschäftigung mit Zeitgeschichte beinhaltet den Auftrag, gegen jedwede Form von Diskriminierung, Rassismus sowie Antisemitismus aufzutreten. Wir sind davon überzeugt, dass historische Bildung ein bedeutsames Mittel gegen Antisemitismus, Intoleranz und gesellschaftliche Ausgrenzung darstellt.

Die Lebensgeschichten der Opfer des Nationalsozialismus veranschaulichen die Mechanismen einer Diktatur, sie zeigen die Unmenschlichkeit der Machthaber und ihrer Vollstrecker. Die Themen Diskriminierung, Antisemitismus und Verfolgung im Nationalsozialismus stehen im Fokus der Workshops mit den Schüler*innen und sind Anknüpfungspunkt für den Geschichtsunterricht und die Führungen zu den Stolpersteinen.

Es geht darum, sichtbar zu machen, welche Gesetze im Dritten Reich beschlossen wurden und wie diese die Verfolgung und Deportation von Jüdinnen und Juden gestützt haben. Ziel ist es, die historische Auseinandersetzung mit nationalsozialistischer Herrschaft und Ideologie anzuregen und das Wissen der Schüler*innen dazu zu vertiefen. Im Rahmen der Stolpersteinführungen und Workshops sowie im Geschichtsunterricht gilt es aufzuarbeiten, wie Demokratie und Menschenrechte im Nationalsozialismus schrittweise abgebaut wurden und wie gesellschaftliche Ausgrenzung zu Diskriminierung, Verfolgung und zu massenhaftem Mord führten. Wir wollen dazu anregen, über gegenwärtige Diskriminierungen nachzudenken, ohne eine Gleichsetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus vorzunehmen.

Einen wichtigen Punkt in Zeiten von „Social Media“ stellt das Erkennen von Fake News und Verschwörungstheorien dar. Für Schüler*innen geht es verstärkt darum, Zivilcourage und gesellschaftliche Verantwortung auf Online-Plattformen wahrzunehmen und damit ein Vorbild für Gleichaltrige zu sein.

Schule ist demokratischen Prinzipien verpflichtet. Schule hat die Verantwortung, die Grundwerte Freiheit und Toleranz zu vermitteln. Sie hat die Aufgabe, Schüler*innen zu den Menschenrechten zu bilden.

Nachdem sich Antisemitismus vor allem in der Sprache widerspiegelt, ist es wichtig, besonderes Augenmerk auf diesen Punkt zu legen. Mit Unverständnis mussten wir sehen, dass der „Judenstern“ bei Anti-Corona-Demonstrationen getragen wurde und dass nicht zulässige Vergleiche gezogen wurden.  Antisemitismus ist weder ein Randphänomen noch auf die Zeit des Nationalsozialismus beschränkt. Antisemitismus prägt Geschichte und Gegenwart und ist eine ernstzunehmende Gefahr für das demokratische Zusammenleben.

Das Schulqualitätsprogramm der WI’MO hat sich der Förderung der sprachlichen Fähigkeiten der Schüler*innen verschrieben. Für den Geschichtsunterricht beinhaltet das unter anderem, den historischen Ballast von Sprache genauer zu untersuchen. Begriffe, die in der Umgangssprache verwendet werden wie zum Beispiel „bis zur Vergasung“, „ausmerzen“ oder „durch den Rost fallen“ sind bekannte Beispiele. Dieser unbewusste Sprachgebrauch ist zu thematisieren, denn Sprache ist nicht unschuldig.                                       

Weiterführende Quellen:

Baldinger, D. (08.11.2012). Das braune Erbe in der Sprache. Wiener Zeitung. Abgerufen von Sprache – Das braune Erbe in der Sprache – Wiener Zeitung Online

Riess, D. (2020). Wie Nazi-Sprache im Alltag unser Denken beeinflussen kann, in 4 Punkten. Abgerufen von Wie Nazi-Sprache im Alltag unser Denken beeinflussen kann, in 4 Punkten | Moment.