Innegen, ein gemeinsam mit Katharina Springer verfasstes Buch des Gailtaler Mediziners Georg Lexer, das (s)eine Familie porträtiert, die aufgrund ihrer Überzeugung in den Jahren von 1938 bis 1945 beinahe ausgelöscht wurde, war Anlass für eine Podiumsdiskussion der besonderen Art. Autor Lexer traf in der WI’MO auf Othmar Karas, früherer Erster Vizepräsident des Europäischen Parlaments sowie Präsident des European Forum Alpbach, um im Dialog die bewegte Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert, aber auch Herausforderungen der Gegenwart aufzuarbeiten. Die Jugendlichen der vierten Jahrgänge der WI’MO waren dabei nicht nur interessierte Zuhörer*innen, sondern saßen als Vortragende von Textpassagen wie auch als kritische Fragensteller*innen auf dem Podium.
Direktorin Michaela Graßler war es eine Freude, diese besondere Veranstaltung zu eröffnen. „Durch viele Projekte, aber auch mit Blick auf den Umstand, dass wir als Schule die meisten Jugendlichen Kärntens für ihre Praktika nach Europa bringen, wird deutlich, dass die Vorstellung eines Vereinten Europas an der WI’MO omnipräsent ist, mit ihren Potenzialen und Herausforderungen. Dies gilt ebenso für Fragen der Politischen Bildung, der Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe, der Erinnerungskultur. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Kärntner Menschenrechtspreis, den wir Ende 2022 erhalten haben.“
Zu diesem Anlass fanden zahlreiche Ehrengäste den Weg an die WI’MO, seitens der Bildungsdirektion Kärnten gab der Leiter des Pädagogischen Dienstes Jonas Claußen Einblicke in seine eigenen Schulerfahrungen im Umgang mit historischem Erbe. „Damals war es die grausame Ermordung von Häftlingen des KZ Neuengamme in den allerletzten Kriegstagen, das mit Zeitzeug*innen aufgearbeitet wurde.“ Vor dem Ostseestädtchen Neustadt wurden am 3. Mai 1945 das ehemalige Fahrgastschiff Cap Arcona und die kleinere Thielbek mit KZ-Häftlingen von alliierten Flugzeugen versenkt. „Persönliche Geschichten sind oft ein Schlüssel, um einen Zugang zur Geschichte zu finden. Und so viel kann man einleitend sagen: Das ist in diesem Projekt der WI’MO gelungen.“
In der Podiumsdiskussion setzten sich die Jugendlichen, Karas und Lexer nicht nur mit der Aufarbeitung der NS-Geschichte in Österreich auseinander, sondern blickten ebenso auf den Rechtsruck in vielen Staaten Europas, die Re-Militarisierung, die politische Bedeutung sozialer Medien und ökologische Herausforderungen. Karas: „Ich hätte nach 1989 nicht erwartet, dass es je wieder Krieg in Europa geben würde. Es gab nach Ende des Kalten Krieges eine neue Ordnung, man ist sich in Organisationen der internationalen Zusammenarbeit begegnet, statt aufeinander zu schießen. Aber die jüngste Vergangenheit zeigt uns, dass wir wachsam sein und das Gesellschaftsmodell, das wir uns erarbeitet haben, verteidigen müssen.“
Lexer gab nicht nur Einblicke in seine Familiengeschichte, sondern beurteilte gegenwärtige Entwicklungen aus der Perspektive eines Mediziners. „Aktuelle Statistiken zeigen deutlich, wie belastet gerade junge Menschen sind. Wir arbeiten viele Probleme nicht ausreichend auf und geben sie Generation für Generation weiter. Hinzu kommen neue Herausforderungen.“
Anerkennung für das Wirken von Prof. Ilse Geson-Gombos
Der spannenden Diskussion lauschten nicht nur die Mitglieder der Schulgemeinschaft der WI’MO, zu Gast waren u. a. Landtagspräsident Reinhart Rohr, seitens des Europahauses Präsident Altlandeshauptmann Christof Zernatto und Geschäftsführer Marc Germeshausen, Werner Platzer vom Volksgruppenbüro der Kärntner Landesregierung, für das Mauthausen Komitee Kärnten/Koroška Universitätsprofessor Peter Gstettner, kärnten.museum-Direktor Wolfgang Muchitsch, Christian Pichler von der Pädagogischen Hochschule Kärnten, seitens der Bildungsdirektion Kärnten neben Jonas Claußen auch Schulqualitätsmanagerin Silvia Quendler und Gerlinde Duller, einstige Triebfeder der Politischen Bildung in der Kärntner Bildungslandschaft. Sie alle applaudierten auch für Organisatorin Prof. Ilse Geson-Gombos.
„Kollegin Geson-Gombos hat es im Finale ihrer Lehrtätigkeit noch einmal geschafft, ein besonderes Event auf die Beine zu stellen. Ihr darf ich dafür danken, unseren Jugendlichen und uns allen diese lebendige Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen zu ermöglichen“, dankte Direktorin Michaela Graßler für den unermüdlichen Einsatz.
Auch Jonas Claußen seitens der Schulaufsicht blickte auf das jahrzehntelange Wirken Geson-Gombos‘ zurück, seit mehr als einem Vierteljahrhundert ist sie an der WI’MO aktiv. „Ihr Personalakt zeigt, dass sie nicht nur eine sehr fleißige Schülerin war, sondern auch schon im Studium hartnäckig Themen bearbeitet hat, die sie bis heute begleiten. Zu dieser besonderen Leistung als Pädagogin möchte ich herzlich gratulieren.“
Den feierlichen Abschluss bildete die Europahymne, gesungen von Schülerin Mina Haderlap. Dort heißt es als Hoffnungsschimmer: „Alle Menschen werden Brüder,/Wo dein sanfter Flügel weilt“.